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      Dirk Traeger
      Administrator

      Im Internet stößt man immer wieder auf RJ45-Patchkabel der Kategorie 7 und 7A. Als Beleg wird ein Channel-Messprotokoll präsentiert, das aus einem Feldmessgeräts eines seriösen Herstellers stammt. Nur: Es gibt keine RJ45-Patchkabel der Kategorien 7 oder 7A, da es ganz einfach keinen RJ45-Stecker gibt, der die normativen Anforderungen dieser Kategorien erfüllt. Und nein, ein RJ45-Stecker der Kategorie 8.1 erfüllt sie auch nicht.

      Verwirrend? Ja, leider. Bringen wir also Ordnung in die Welt der RJ45-Patchkabel und der zugehörigen Normen.

      RJ45-Patchkabel sind genormt nach

      • ISO/IEC 11801 (weltweit gültige Norm)
      • EN 50173 (europäische Norm)
      • ANSI/TIA-568 (US-amerikanische Norm).

      Leider werden die Normen für die Patchkabel oft mit denen für die Leitungen, aus denen die Patchkabel bestehen, verwechselt.

      RJ45-Patchkabel bestehen aus vierpaarigen Leitungen nach

      • ISO/IEC 61156 (weltweit gültige Norm)
      • EN 50288 (europäische Norm)
      • ANSI/TIA-568 (US-amerikanische Norm)

      und werden meist an beiden Enden mit achtpoligen RJ45-Steckern versehen.

      Die Stecker wiederum sind genormt nach

      • ISO/IEC 60603-7 (weltweit gültige Norm)
      • EN 60603-7 (europäische Norm, basiert auf der IEC 60603-7)
      • ANSI/TIA verweist direkt auf die IEC 60603-7.

      Normen für die Prüfung von Patchkabeln sind

      • ISO/IEC 61935-2 (weltweit gültige Norm)
      • EN 61935-2 (europäische Norm, basiert auf der IEC 61935-2)
      • ANSI/TIA-568 (US-amerikanische Norm).

      Patchkabel werden wie das Kabel und die Stecker, aus denen sie bestehen, in verschiedene Leistungsklassen (sog. Komponenten-Kategorien) eingeteilt.

      Zur Zeit der Manuskripterstellung gibt es

      • Kabel in den Kategorien 5/5E, 6, 6A, 7, 7A, 8, 8.1 und 8.2.
      • RJ45-Stecker aber nur in den Kategorien 5, 6, 6A, 8 und 8.1.

      Bei den „Kategorie 7-Patchkabeln“ mit RJ45-Steckern erfüllt lediglich das reine Kabel die Anforderungen der Kategorie 7, nicht der Stecker, da es keinen RJ45-Stecker gibt, der die Anforderungen für Kategorie 7-Stecker für alle vier Aderpaare gleichzeitig erfüllt. Die Anforderungen an Steckverbinder der Kategorie 7 sind sogar höher als die der Kategorie 8 und 8.1, besonders beim Messparameter NEXT.

      Zur Verwirrung trägt leider die Vorgabe von DIN EN 50173-1:2018-10 bei, dass ein Patchkabel mit der Kategorie des verwendeten Kabels gekennzeichnet werden muss. Besteht ein Kategorie-6A-Patchkabel aus RJ45-Steckern der Kategorie 6A und Kabel der Kategorie 7, so ist auf dem Kabelmantel korrekterweise „Kategorie 7“ oder „category 7“ aufgedruckt. In der Praxis wird leider oft vergessen, dass sich diese Angabe ausschließlich auf das Kabel (sog. Rohkabel), aus dem das Patchkabel besteht, bezieht. Das mit RJ45-Steckern konfektionierte Patchkabel erreicht diese Kategorie nicht – es kann sie gar nicht erreichen, weil es keinen RJ45-Stecker gibt, der die Werte der Kategorie 7 auf allen vier Aderpaaren gleichzeitig erreicht. Es gibt natürlich Stecker der Kategorie 7, aber das sind keine RJ4-Stecker und auch nicht steckkompatibel zu RJ45-Buchsen. Besondere Vorsicht ist also geboten, wenn Anbieter mit „Kategorie 7-Patchkabeln“ werben.
      RJ45-Stecker der Kategorie 8 oder 8.1 helfen hier leider nicht, da die Anforderungen für Steckverbinder der Kategorie 7 teilweise deutlich höher sind als für Steckverbinder der Kategorie 8 oder 8.1. Somit erfüllt auch ein Patchkabel, das aus Kabel der Kategorie 7 und RJ45-Steckern der Kategorie 8.1 besteht, die Anforderungen von Kategorie-7-Patchkabeln nicht.

      Dennoch präsentieren so manche Patchkabel-Anbieter Messprotokolle nach Kategorie 7. Gemessen wurde meist mit einem Feldmessgerät – und zwar als Channel-Messung! Bei diesen Messungen wird jedoch die erste und die letzte Steckverbindung normkonform ausgeblendet, denn der Channel (zu Deutsch: Übertragungsstrecke) umfasst eine fest verlegte Verkabelung, bestehend aus Installationskabel, Verteilfeld und Anschlussdosen sowie Patchkabel an beiden Enden. Die Stecker, die in die aktiven Netzwerkkomponenten (Switch an einem Ende der Verkabelung, Endgerät am anderen) gesteckt werden, werden bei der Channel-Messung nicht berücksichtigt. Ohne die Stecker an beiden Enden wird bei einem Patchkabel aber nur das reine Kabel gemessen, und da das Rohkabel der Kategorie 7 entspricht, ziert ein „Pass“ das Channel-Messprotokoll. Channel-Messungen sind nicht für die Messung von Patchkabeln geeignet, die Hersteller der Feldmessgeräte bieten geeignete Patchkabel-Messadapter und die entsprechenden Messprogramme an, bei denen dann die Stecker an den Enden des Patchkabels korrekt berücksichtigt werden.

      Qualität und Leistungsfähigkeit eines Patchkabels werden von der Qualität der verwendeten Leitung, von der Qualität der Stecker und von der Qualität der Konfektionierung, der Montage, bestimmt. Allzu oft wird übersehen, dass Stecker und Leitung aufeinander abgestimmt sein müssen. Eine Leitung höchster Performance mit Steckern geringerer Qualität ergibt ein Patchkabel mit geringer Leistungsfähigkeit. Dies gilt ganz besonders für Patchkabel im unteren Preissegment und gewinnt im Hinblick auf 10 Gigabit Ethernet (10GBASE-T) immer mehr an Bedeutung. Viel wichtiger als die Kategorie des verwendeten Rohkabels ist die Qualität des konfektionierten RJ45-Patchkabels und die Verwendung exakt aufeinander abgestimmter Komponenten eines Verkabelungssystems. Wenn die einzelnen Komponenten einer Übertragungsstrecke aufeinander abgestimmt sind, erreicht die Verkabelung die volle Leistung.

       

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